Einführung
Ein Dilemma als konstante Herausforderung für das Gesundheitswesen: Der fixe Anspruch auf bestmögliche Gesundheitsversorgung für alle führen zu ungebremst steigender Nachfrage nach medizinischen Leistungen bei begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen; überproportional mehr ältere Menschen mit chronischen Erkrankungen belasten die Ressourcen der stagnierenden oder schrumpfenden erwerbstätigen jüngeren Bevölkerung, was Kosten und Personalknappheit im Gesundheitssystem kontinuierlich steigert.
Trotz herausfordernder Umstände sollte der Nutzen für Patienten stets im Zentrum stehen. Innovative Gesundheitsversorgung entwickelt sich anhaltend weiter mittels neuer Lösungen und Technologien aus Wissenschaft und Forschung sowie durch erfahrungsorientierte Optimierung angewandter Strategien zur Prävention und zur frühzeitigen Intervention. Dieses bewährte Zusammenspiel der Leistungserbringer verbessert die Lebensqualität der Patienten und reduziert deren Morbidität sowie Mortalität fortlaufend. Analog steigt der Druck auf die Rentabilität bei Leistungserbringern sowie Versicherungen und drängt diese, das Finanzierbare dem Machbaren vorzuziehen und ständig nach besserem Preis-Leistungs-Verhältnis zu verlangen. Hierfür bedarf es Kriterien welche den Preis einer Leistung in Relation zu deren Nutzen vergleichen. Wir als Anbieter von Medizinprodukten und -dienstleistungen müssen nachweisen, dass der für unsere Lösungen und Produkte geforderte Preis durch den Nutzen für den Patienten, den Leistungserbringer, die Versicherung und die Gesellschaft gerechtfertigt ist.
Das Konzept vom Wert
Warren Buffet sagt: «Preis ist das, was Sie bezahlen. Wert ist das, was Sie erhalten» («Price is what you pay. Value is what you get»).
In der freien Marktwirtschaft ergeben Angebot und Nachfrage den Preis oder eben den Marktwert einer Sache oder Leistung. Den Wert von menschlicher Gesundheit, Lebenszeit oder Befindlichkeit zu definieren oder zu versachlichen, ist weniger einfach und bedarf zumindest des Konsenses aller relevanten Stakeholder und in der freien Welt auch noch eines gesellschaftlichen Konsenses. Für die wertorientierte Gesundheitsversorgung impliziert dies, dass der Konsens über den Gesamtwert eines Behandlungspfades mit allen relevanten Stakeholdern gefunden werden muss. Themenführer bieten Orientierung:
Porter, Triple/Quadruple Aim
2006 veröffentlichte Michael Porter sein Buch «Redefining Health Care» und damit begann der Übergang zu Value Based Health Care. Porter definierte den Wert im Gesundheitswesen als das Gesundheitsergebnis, das pro ausgegebenem Dollar erzielt wurde (Abbildung 1).
Laut Porter ist das übergeordnete Ziel der Gesundheitsversorgung ein hoher Patientenwert. Steigt dieser, profitieren alle Beteiligten (Patienten, Versicherungen, Leistungserbringer und Lieferanten) und auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems gewinnt.1
Das Gesundheitsergebnis ist der Zustand des Patienten am Ende des Behandlungszyklus, der durch die Bereitstellung sämtlicher Behandlungsschritte erreicht wird.
Die Kosten umfassen alle monetären Beträge über den vollständigen Behandlungszyklus, welche für das Erreichen des Gesundheitsergebnisses des Patienten notwendig sind. Eine isolierte Kostensenkung könnte sich also negativ auf den Patientenwert auswirken und daher zu falschen Einsparungen führen.
Der Patientenwert wird durch die erzielten Ergebnisse definiert und nicht durch die Art oder Menge der Behandlungsschritte. Porter misst den Pflegeeinsatz anhand der Behandlungsergebnisse und der Kosten der aufgewendeten Ressourcen (z.B. Zeit pro Krankenschwester, Anzahl der Eingriffe, Art der Medikamente, Qualität des Implantats usw.). Eingaben wie Prozessverbesserungen können jedoch wichtige Faktoren sein, um sowohl die Gesundheitsergebnisse als auch die Kosten in die Gleichung einzubeziehen. Wertorientierte Gesundheitsversorgung fordert vom Gesundheitssystem die Verbesserung des Patientenwerts. An diesem und nicht am Preis, haben sich zukünftige Entscheidungen zu orientieren.
Laut Porter ist es für schnelle Ergebnisverbesserungen, gute Entscheidungsgrundlagen und Massnahmen zur Kostensenkung zielführend, mit entsprechenden Datenerhebungen zu beginnen, den Patientenwert transparent zu kommunizieren, Behandlungsergebnisse zu sammeln, zu vergleichen und entsprechend zu belohnen.1, 2
2007 entwickelte das Institute for Healthcare Improvement (IHI) erstmals den Rahmen für das «Triple Aim for health care». Es ist ein Ansatz zur Optimierung der Leistung des Gesundheitssystems durch gleichzeitige Fokussierung auf drei Dimensionen (Abbildung 1):
- Verbesserung der Behandlungserfahrung des Patienten (einschliesslich Qualität und Zufriedenheit)
- Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung
- Reduzierung der Pro-Kopf-Kosten für die Behandlung
Die Revolution in diesem Ansatz bestand darin, dass sie die Ziele der Gesundheitsversorgung erweiterten. Bis zu diesem Zeitpunkt richtete sich die Verbesserung der Behandlungserfahrung hauptsächlich nach der subjektiven Erfahrung der Patienten, welche die Behandlung in Anspruch nahmen. Neu hinzu kam die Betrachtung der Bevölkerungsgesundheit, weil die Ursachen für Erkrankungen vielfach im gesellschaftlichen Kontext zu finden sind. Als drittes Ziel definiert wurde die Minimierung der Pro-Kopf-Kosten für die Versorgung. Zusammenfassend ergibt sich das dreifache Ziel (Triple-Aim-Konzept): bessere Patientenerfahrung, bessere Gesundheit der Bevölkerung und niedrigere Pro-Kopf-Kosten.3
Nach der allgemeinen Akzeptanz des Triple-Aim-Konzepts wurde – zur weiteren Verbesserung der Leistung des Gesundheitssystems – auch einer gesunden und glücklichen Belegschaft mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung zugemessen. Bondenheimer und Sinsky ergänzten 2014 Triple Aim um die vierte Säule, die Zufriedenheit der Belegschaft (staff satisfaction). Aus Triple Aim wurde Quadrupel Aim (Abbildung 2).4
Quadrupel Aim anerkennt die enorme Bedeutung einer engagierten und produktiven Belegschaft für die Verstärkung von Triple Aim.
Messen von Ergebnissen, Zufriedenheit und Kosten
Die wertorientierte Gesundheitsversorgung beantwortet die Frage «Wert für wen?» unzweifelhaft: Der Patient ist einer der Hauptakteure. Um die von den Patienten selbst gemeldeten Ergebnisse (PROMs) zu messen, werden zunehmend Instrumente entwickelt und eingesetzt, welche diejenigen Ergebnisse ergänzen, welche im Gesundheitssystem eher «klassisch» gemeldet werden. Über PREMs-Tools kann zudem die Zufriedenheit über den gesamten Patientenpfad und die Kommunikation gemessen werden. Diese beiden Methoden beziehen sich auf die Wertedefinitionen im Triple- und Quadruple-Aim. Hierbei ist zu beachten, dass es sich bei diesen Messmethoden um spezifische wissenschaftliche Instrumente handelt, die entwickelt wurden, um objektive und solide Bewertungen zu gewährleisten.
PROMs (Patient Reported Outcomes Measures) sind eine Reihe von Standardwerkzeugen für allgemeine oder spezialisierte/zustandsspezifische Ergebnisse. Diese Tools erfassen einen vom Patienten selbst deklarierten Status seines Gesundheitszustands vor und nach einem Eingriff, ohne dass die Antworten des Patienten durch einen Kliniker oder eine andere Person interpretiert oder beeinflusst werden. Beispiele für Messungen der Behandlungsergebnisse sind: Funktionsstatus, Wohlbefinden, (gesundheitsbezogene) Lebensqualität, Symptome (z.B. Schmerzen), Einhaltung der Behandlung, soziales Funktionsniveau usw.
PREMs (Patient Reported Experience Measures) sind eine Reihe von Standardwerkzeugen für allgemeine oder spezialisierte/zustandsspezifische Erfahrungen. Sie erfassen die Wahrnehmung und die Ansichten der Patienten über deren Behandlungserfahrungen und konzentrieren sich auf die Bereitstellung der medizinischen Versorgung. Sie umfassen eine Reihe von Interaktionen, der Patienten mit dem Gesundheitssystem – sowohl vor, während und nach einer Intervention. Beispiele für eine solche Messung sind Zufriedenheit, das Behandlungserlebnis sowie Beobachtungen des Verhaltens durch Gesundheitsdienstleister.
Angesichts der zunehmenden Bedeutung dieser Instrumente muss erwähnt werden, dass Daten, welche direkt über das Gesundheitssystem erfasst werden (z.B. in Krankenhaus- und Patientenakten), nach wie vor eine wichtige Quelle für die Messung von Behandlungsergebnissen sind. In dieser Kategorie finden wir Informationen über Massnahmen wie die Dauer des Krankenhausaufenthalts des Patienten, Komplikationen, Wiedereintrittsraten usw.
Im wertorientierten Gesundheitswesen sind Kosten eine zentrale Komponente in der Wertermittlung und der ursprüngliche Einkaufpreis muss auf den gesamten Patientenpfad aufgesplittet werden. Kosten umfassen sowohl alle Einzelkosten im Zusammenhang mit der Behandlung des Patienten als auch der Nutzung von Ressourcen vor und nach dem ersten Eingriff. Die Gesamtkosten bewerten auch soziale und gesellschaftliche Aspekte (z. B. Auswirkungen auf Familienmitglieder, Produktivitätsverlust, Wohlfahrt, usw.).
Unsere Partnerschaften gehen symbiotisch auf die Bedürfnisse der Institutionen ein, um nachhaltig mehr für deren Patienten zu erreichen.
Quellenangaben
Porter, M. E. (2010). What is value in health care? New England Journal of Medicine, 363(26), 2477-2481.
Porter, M. E. (2008, August). Defining and introducing value in health care. In Evidence-based medicine and the changing nature of health care: 2007 IOM annual meeting summary (pp. 161-172). Institute of Medicine Washington, DC.
Institute for Healthcare improvements, http://www.ihi.org/Engage/Initiatives/TripleAim/Pages/default.aspx
Bodenheimer, T., & Sinsky, C. (2014). From triple to quadruple aim: care of the patient requires care of the provider. Annals of family med-icine, 12(6), 573–576. doi:10.1370/afm.1713