In rasendem Tempo flitzt der Curser über den Screen, auf dem sich rote Bällchen in rosa Bällchen verwandeln und eine Art Schlange tänzeln. Es ist die grafische Computerdarstellung eines Katheters während eines Eingriffs im Vorhof des Herzens. Bei genauem Hinschauen lässt sich ein Umriss erkennen, der einem grauen Stein gleicht. «Dies», sagt Charlotte Vivet, «ist die 3D-Innenansicht des Herzens.» Die 25-jährige Absolventin der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) und Ingenieurin ist seit gut einem Jahr Clinical Supporter Specialist bei Johnson & Johnson. Eine von 15 hochspezialisierten Fachkräften in der Schweiz, die bei hochtechnisierten Eingriffen am Herzen Partner der Ärzte sind. An diesem Morgen arbeitet sie Hand in Hand mit Professor Etienne Delacrétaz in der Clinique Cécile in Lausanne.
Hinter Charlottes Screen, getrennt durch eine Glasscheibe, befindet sich der Operationssaal. Auf dem Tisch liegt ein junger Mann im Tiefschlaf. Vor ihm, auf Hüfthöhe, sitzt der Arzt, dessen leise Kommentare und Anweisungen aus dem vor Charlotte aufgebauten Lautsprecher dringen. Professor Etienne Delacrétaz bei der Arbeit. Der Spezialist für Kardiologie und Elektrophysiologie führt eine Herzablation durch. Der minimalinvasive Eingriff, bei dem mittels eines Katheters Herzgewebe verödet wird, ist eine besonders effiziente Methode, um gefährliche Herzarrhythmien zu beseitigen.
«Vorhofflimmern, die häufigste Herzrhythmusstörung», erklärt Delacrétaz, «ist eine chronische Erkrankung, die ein Leben lang medikamentös behandelt werden muss.» Eine Heilung gibt es nicht. Unbehandelt führt sie zu Beschwerden wie Herzklopfen und Atemnot bei körperlicher Belastung, im Extremfall auch zu Schlaganfällen und Herzinsuffizienz. Mit teilweise dramatischen Folgen für die Betroffenen, die bis hin zu Invalidität reichen können. Vom Vorhofflimmern sind laut der Schweizerischen Herzstiftung hierzulande rund 100 000 Menschen betroffen, Tendenz steigend.
Für Erkrankte sind Herzrhythmusstörungen nicht nur lebensgefährlich, sondern auch äusserst beängstigend. So war es auch bei Christian G. Deshalb unterzog sich der 56-Jährige bei Professor Delacrétaz einer Herzablation. Dies, nachdem sein Herz von einem Tag auf den anderen aus dem Takt gefallen war. «Es passierte vor dem Fernseher nach dem Nachtessen, plötzlich schlug es wie verrückt.» Der Heizungsmonteur suchte seine Kardiologin auf. «Wir versuchten, das Herz mit Medikamenten zu beruhigen, aber das half nicht wirklich», sagt er. Der an sich sportliche Heizungsmonteur fühlte sich in der Folge schlapp, stets müde und leicht depressiv. Er fürchtete, seinem Hobby, dem Reiten, nicht mehr nachgehen zu können. «Am schlimmsten war aber die Angst», erzählt er. Er wusste, dass bereits sein Vater und dessen Bruder unter Bluthochdruck gelitten hatten und noch vor ihrem 60. Geburtstag verstorben waren. Auch er selbst nahm schon seit Jahren Blutdrucksenker.
ine Herzablation ist ein Eingriff, bei dem das Gewebe, das Herzrhythmusstörungen hervorruft, gezielt verödet wird. Dies erfolgt über Katheder, die durch die Vene ins Herz eingeführt werden. Etienne Delacrétaz führt Ablationen seit mehr als 20 Jahren durch. Die Ablation sei kein chirurgischer Eingriff am Herzen, erklärt er, der Eingriff erfolge minimalinvasiv und hinterlasse äusserlich keine Spuren. Der behandelnde Arzt müsse eine hohe Fingerfertigkeit aufweisen, «vor allem aber die technischen Vorgänge verstehen und viel Übung haben». Am grossen Bildschirm hinter dem OP-Tisch verfolgt der Arzt konzentriert, wo sich die Katheterspitze, die er mit der Hand dirigiert, gerade befindet. Supporterin Charlotte liefert ihm alle Daten, die er zur Orientierung braucht, dreht die 3D-Bilder für ihn. Es gilt, das Herz auf keinen Fall zu verletzen. Ist eine Schwachstelle «verbrannt», verfärbt sich ein roter Punkt zu hellrot.
Nach einer guten Stunde ist der Eingriff für den Patienten überstanden. Er wird aus dem OP gerollt. Bei den Kathetern der jüngsten Generation dauert die Prozedur maximal eineinhalb Stunden. Delacrétaz erinnert daran, dass das nicht immer so war: «Früher waren es bis zu vier Stunden.» Im Moment werden etwa fünf Prozent aller Herzkranken mit Herzablationen behandelt. Es sind nicht nur ältere Patienten, sondern auch Kinder und junge Menschen, Letztere sind häufig Leistungssportler. Nach der Prozedur muss der Patient wenige Medikamente einnehmen, die Gefahr eines Infarkts oder einer Hirnblutung mit irreparablen Folgeschäden sinkt dramatisch. Der Gewinn an Lebensqualität ist spektakulär, Folgekosten, die ohne den Eingriff entstehen würden, werden reduziert. Der langfristige Heilungserfolg sinkt mit dem Alter, die Patienten sollten nicht älter als 70 Jahre sein.
Die Herzablation von Christian G. liegt mittlerweile ein halbes Jahr zurück. Der Eingriff verlief völlig unkompliziert. Er strahlt über das ganze Gesicht: «Ich spürte kaum Schmerzen und die positiven Folgen bereits am zweiten Tag danach.» Sogar die Arbeit habe er sogleich wieder aufnehmen können. Das Vorhofflimmern ist verschwunden, den noch leicht erhöhten Blutdruck hat er dank Medikamenten im Griff. Er fühlt sich fit und leistungsstark und nimmt wieder an Reitturnieren teil. «Es ist», sagt er, «als sei ich wieder jung.»